Betheln. Man schreibt das Jahr 1750. Unter den Orgelklängen von Paul Friedrich betreten Marie Antoinette und Richard de La Motte die Kirche zu Betheln, um sich das Ja-Wort zu geben. Gebannt verfolgen rund 30 Musketiere das Zeremoniell vor dem Altar. Alle sind festlich gekleidet, tragen bunte Gewänder, braune Kutten und haben Blumenschmuck im Haar. Es ist der Abschluss einer einwöchigen Kinderfreizeit im Kirchenkreis Hildesheimer Land-Alfeld.
Im Rahmen eines Live-Rollenspiels konnten die Mädchen und Jungen aus Alfeld, Gronau, Elze und Betheln in der Musketier-Schule im Bethelner Pfarrgarten an fünf Tagen historisches Handwerk ausprobieren, eine Pferdedressur einüben oder den „stärksten Mann der Welt“ küren.
Unter der Leitung der Diakoninnen Renata Friede und Sabine Junak fand nun schon zum fünften Mal ein sogenanntes Larp (kurz für Live-Action-Role-Play) statt. Jedes Jahr gibt es eine neue Geschichte zu erleben und mitzugestalten, denn so funktioniert so ein Live-Rollenspiel: Ganz ohne Publikum schlüpfen die TeilnehmerInnen in ausgedachte Rollen, kostümieren sich entsprechend und tauchen in eine abenteuerliche Welt ein, die nach anderen Regeln funktioniert.
Diese seit den neunziger Jahren in Deutschland verbreitete Form des Spiels hält mehr und mehr Einzug in die Gestaltung kirchlicher Sommerfreizeiten. Noch vor fünf Jahren waren die Bethelner unter den ersten, die ihr Programm mit Rollenspiel-Elementen aufpeppten. Seitdem sind im ganzen Bundesgebiet kirchliche Larps aus dem Boden geschossen.
Das liegt daran, dass es nicht nur unheimlichen Spaß macht, in andere Rollen zu schlüpfen und die Welt aus anderen Augen zu sehen, sondern auch ein enormes pädagogisches Potential enthält – spielend lernt es sich am leichtesten. Zur Lösung der meisten Probleme, die die zehnmal drei Musketiere im Pfarrgarten erwarteten, brauchte es neben Fantasie und Mut vor allem gutes Teamwork.
So wie beim frischvermählten Ehepaar de La Motte. Pia Marthins und Johanna Keese waren kein bisschen nervös, als sie sich unter den Augen der übrigen Musketiere die Vermählungsringe an die Finger steckten. „Das war meine erste Hochzeit. Ich hoffe, dass es nochmal eine andere gibt“, sagte Johanna nach der Trauung und warf den Brautstrauß gekonnt über ihre Schulter. Peter Rütters