Hildesheim. Ein schwieriges Thema stand im Mittelpunkt der elften Tagung der Kirchenkreissynode des ev.-luth. Kirchenkreises Hildesheimer Land-Alfeld. Bei der Versammlung im Hildesheimer Kirchenamt beschäftigten sich 40 Synodale mit dem Thema der sexualisierten Gewalt und verabschiedeten dazu ein Schutzkonzept zur Prävention im Kirchenkreis. Zuvor hatte Anuschka Lütje von der Fachstelle Sexualisierte Gewalt der Landeskirche einen Impulsvortrag über die „Verantwortung des Kirchenkreises“ gehalten.
Über 17000 polizeibekannte Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern unter 14 Jahren bilanzierte darin die Referentin in einem Jahr in Deutschland – bei einer hohen Dunkelziffer. „Circa 10 Prozent finden in Institutionen statt. Dazu zählt auch die Kirche“, machte die Rednerin klar. Die Zahl der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Deutschland stieg in den letzten Jahren auf bedrückende 118.000 an.
Die Fachstelle der Landeskirche mit ihren verschiedenen Arbeitsbereichen versucht, dieser schlimmen Entwicklung entgegenzuwirken. Aber auch die Kirchenkreise sind dabei, einschlägige Schutzkonzepte zu erarbeiten. „Für die 26 evangelischen Kitas in unserer Kirchenkreisträgerschaft steht das Konzept schon lange und wird in unseren Einrichtungen praktiziert und mit Leben gefüllt“, teilte Superintendentin Katharina Henking der Kirchenkreissynode mit.
Ein Jahr lang hat sich eine Steuerungsgruppe darüber hinaus Gedanken über ein „Schutzkonzept zur Prävention sexualisierter Gewalt im Kirchenkreis“ gemacht. „Ein Thema, was uns gepackt hat“, betonte die Superintendentin. In diesem Prozess habe die Steuerungsgruppe ihre Verantwortung sehr ernst genommen und nicht etwa von anderen Konzepten abgeschrieben, sondern vielmehr einen eigenen, auf den Kirchenkreis abgestimmten, Entwurf erarbeitet. „Es ist wichtig, dass wir handlungssicherer werden.“
Mitglieder der Steuerungsgruppe erläuterten in der Folge einige Bausteine des Schutzkonzeptes. Beispiel Kinder- und Jugendfreizeiten des Kirchenkreises: „Was darf man noch machen, spielen oder sagen?“ führte Diakonin Melanie Voss in Vertretung für die erkrankte Diakonin Andrea Gärtner aus. Sie wies auf konkrete Einzelheiten in der Risikoanalyse des Schutzkonzeptes hin: „Einzel- und 2-Bett-Zimmer? Grundsätzlich keine gute Idee“, so Voss. Auch die Gefährdungen durch social media wurden angesprochen. „Damit könnte man ein ganzes Wochenende füllen“ stellte Voss die Gefahren in diesem Bereich heraus.
Eine „Risikoanalyse für das Arbeitsgebiet Kirchenmusik“ stellte Kirchenkreis-Kantorin Hanna Jursch vor. Doch wie sollen sich Menschen verhalten, die Fälle von sexualisierter Gewalt vermuten oder gar Zeuge wurden? Wenn Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Falles sexualisierter Gewalt gegeben sind, sind beruflich und ehrenamtlich Mitarbeitende verpflichtet, eine unverzügliche Information an die Superintendentinnen weiterzugeben.
Danach greift der landeskirchliche Krisenplan. Dazu erläuterte Pastor Felix Rinckhoff einige konkrete Empfehlungen aus dem Schutzkonzept. Im Verdachtsfall gelte es als erstes, Ruhe zu bewahren. Man sollte Notizen über die Beobachtungen oder Vorfälle anfertigen. Keinesfalls sollte man auf eigene Faust etwas unternehmen und nicht die direkte Konfrontation mit dem/der mutmaßlichen Täter*in suchen. Auch sollten eigene Ermittlungen zum Tathergang unterbleiben, ebenso eigene Befragungen und überstürzte Aktionen. Vielmehr sollte man sich Unterstützung holen und sich an Personen des eigenen Vertrauens wenden und kollegiale Beratung einholen. Auch der Kontakt zur landeskirchlichen Fachstelle sei ratsam. Zusammenfassend geht es um einen „verantwortungsvollen Umgang mit Nähe und Distanz“ und eine „Kultur der Achtsamkeit“. Nun seien die Gemeinden dran, eigene Schutzkonzepte zu erstellen.
Henking und Rinckhoff betonten beide, dass die Steuerungsgruppe bewusst für die Kirchengemeinden vorgearbeitet habe; diese könnten nun die Bausteine des Konzeptes nutzen und auf ihre eigene Gemeindesituation anpassen. Die Synodalen standen voll hinter dem vorgestellten Schutzkonzept. Einstimmig votierten sie dafür.
Im Anschluss stellten die Diakonninen Renata Friede und Melanie Voss gemeinsam mit KollegInnen ein Konzept für die Arbeit des Kirchenkreis-Jugend-Dienstes vor. Es fußt auf dem sogenannten Burgdorfer Modell, das die Gesamtarbeitszeit in planbare Arbeiten (80 Prozent) und Unvorhergesehenes (20 Prozent) aufteilt. Dabei sprach Voss auch die hohe Fluktuation bei den Diakonen und unmittelbar bevorstehende Verrentungen von Kollegen an. In der Folge lägen einige Projekte auf Eis. „Jetzt hoffen wir auf neue Kollegen und Kolleginnen“, so Voss.
In der Gesamtkirchengemeinde Saaletal will man auf die Kürzung des Rahmenplans von drei Stellen auf 2,5 Stellen mit der Schaffung einer Geschäftsführungsstelle reagieren. Sie soll Pfarramt und Ehrenamtliche entlasten. Laut stellvertretender Superintendentin Corinna Engelmann soll es künftig einen gemeinsamen Kirchenvorstand mit sieben Wahlbezirken geben. Für das Konzept setzt man auch auf Projektmittel der Landeskirche.
Über ihre Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte des Kirchenkreises berichtete Sonja Mill. Superintendentin Katharina Henking ermutigte anschließend, sich weiter an der Aktion „Wärmewinter“ zu beteiligen. 55.000 Euro stünden dafür neu zur Verfügung. Einzelne Projekte können mit bis zu 5000 Euro gefördert werden. Frank Dörrie